Entspannungsmethoden in der Praxis
Über Stress als Krankheitsverstärker oder Auslöser klagt in der täglichen Allgemeinpraxis fast jeder dritte Patient. Dagegen etwas zu unternehmen gehört zu den wichtigsten vorsorgemedizinischen Maßnahmen. Außer dem Überdenken eigener Ziele und Werte (vgl. Seite: Persönliche Werte, Weltanschauung) und Psychopharmaka, welche leicht abhängig machen können, bieten sich verschiedene bewährte Entspannungstechniken an, von denen ich Ihnen hier eine Auswahl vorstellen möchte. Sie sind in meiner Praxis in Kursen oder über Einzelunterweisung erlernbar.
Mittels Einsatz von Akupunktur, Psychopharmaka oder Homöopathie lassen sich im Akutfall Wirkung und Entspannungstiefe beschleunigen.
Autogenes Training
Das Autogene Training nach I.H. Schultz ist eine seit Jahrzehnten bewährte und offiziell anerkannte Entspannungsmethode, welche die eigene Imaginationsfähigkeiten nützt. Durch Einübung der Vorstellungen von Ruhe, Schwere, Wärme, ruhigem Herzschlag, ruhiger Atmung, strömender Wärme im Bauch und kühler Stirn (in meiner Praxis unter ärztlicher Anleitung und Aufsicht) wird es den Probanden nach einigen Wochen möglich, Muskeln und Gefäße zu entspannen, Herzdurchblutung und Atemfunktionen zu verbessern, den Bauch natürlich arbeiten zu lassen und zunehmende Gedankenruhe zu erleben – vorausgesetzt, die in den Gruppenkursen erlernten Übungen, werden nach dem Kurs zu Hause noch fortgesetzt. Die ca. 10 Minuten langen Entspannungsübungen werden tagsüber mit einer kurzen (generellen) Anspannung abgeschlossen, um anschließend wieder frisch und munter im Leben zu stehen.
Schon nach wenigen Wochen verbessert sich nach ca. 2-3x täglichem Üben die Schlafqualität. Die nach einigen Wochen meist erlebte Lösung von Muskel - und Gefäßverkrampfungen reaktiviert eigene Energiereserven und Durchblutung bzw. wirkt starken Blutdruckschwankungen entgegen. Zunehmende Gelassenheit (üblicherweise nach 4 -12 Wochen zu erleben) wirkt zusätzlich schmerzvermindernd, verbessert Konzentration und die eigene natürliche Leistungsfähigkeit.
Einmal das Umschalten auf Gesamtkörperentspannung erlernt - ist Autogenes Training eine vorzügliche vorsorgemedizinische Maßnahme zur Erlangung und Pflege gesunder Körperfunktionen und zur Reduktion von psychischem Stress – lediglich auf Basis von ca. 5 Minuten Üben etwa 2x tgl.
Nachteil: je nach Ausgangsanspannung tritt die Wirkung erst nach 4 – 16 Wochen ein. Aktive Mitarbeit und einiges an Ausdauer ist erforderlich. Zur Behandlung von Angststörungen ist A.T. nur bedingt geeignet. Kontraindiziert ist A.T. bei schweren psychischen Erkrankungen (Psychosen).
Entspannung nach Jacobson
Bei der Entspannungstechnik nach Jacobson wird erlebt, wie jede willentlich vorgenommene muskuläre Anspannung von einer anschließenden Muskelentspannung abgelöst wird. Die Übungen werden schrittweise meist im Handbereich begonnen, gefolgt von Armen, Schulter-Nacken – Kopfbereich – Bauch – Becken – Beine.
Vorteil: Jacobson Entspannung ist relativ rasch erlernt, deshalb als Entspannungsmethode für Akutfälle eher geeignet.
Nachteil: keine so umfassende Entspannung des Körpers wie beim Autogenen Training. Das Gesamtprogramm bei Jacobson dauert deutlich länger (meist 15 Minuten) als bei Autogenem Training.
Hypnose
Im Gegensatz zum Autogenen Training, wo die eigenen Vorstellungen sukzessive die Entspannung herbeiführen, lässt sich der (die) Klient (in) bei der Hypnose von fremden Anregungen führen. Über ähnliche Anregungen wie beim Autogenen Training bereits erwähnt, und unter Anwendung zusätzlich verstärkender Worte, und Techniken lassen sich relativ tiefe Entspannungserlebnisse oft rasch herbeiführen, ohne dass dabei aber der Patient die eigene Kontrolle über sich verlieren würde.
Hypnose setzt gegenseitiges Vertrauen und gute Kenntnisse über die jeweilige Problematik des Probanden voraus. Deshalb sollte jeder Hypnose ein entsprechend ausführliches, informatives Gespräch vorausgehen.
Vorteil: sehr individuell anwendbare Entspannungstechnik – teilweise auch präventivpsychologisch und psychotherapeutisch nutzbar; später auch Schulung in Richtung gezielter Selbsthypnose möglich.
Nachteil: Zeitaufwendig, dadurch zunächst kostenintensiver. Zu häufige Fremdhypnosesitzungen (ohne später begleitende Selbsthypnoseeinschulung) könnte passive Grundtendenzen und damit zunehmende psychologische Abhängigkeit bei Patienten fördern.
Funktionelle Entspannung
Funktionelle Entspannung kann als psychologisch unterstützte, symptomatische Schmerztherapie bzw. als Gegenkraft zur Unterbrechung verhängnisvoller Schmerzspiralen eingesetzt werden. Durch bewusste Aktivierung verschiedener Hirnareale, welche das Schmerzerleben gemeinsam positiv beeinflussen können, lassen sich körperliche Beschwerden reduzieren:
- Am Beginn steht eine eher rational betonte, detailliert vergleichende z.B. abmessende Beschreibung einer gerade vorhandenen, unangenehmen Körperwahrnehmung (etwa eines Schmerzes) – z.B. Schmerzangaben in einer Skala von 1 bis 10, in Temperatur, Farben, in Größe des Schmerzareals z.B. in cm, Angaben zum Schmerzgewicht in kg etc.
- Anschließend erfolgt die Wahrnehmung eigener gesunder Körperfunktionen (z.B. normales Gelenkspiel zweier verschiedener entfernter Gelenke an zwei verschiedenen Extremitäten) oder die Wahrnehmung des eigenen Körperkontaktes – z.B. Bodenkontakt
- Dann die Wahrnehmung der eigenen Atmung (unter Einsatz einer verlängerten entspannenden Ausatmung) ev. auch von Bauchatmung und anschließend erfolgt die
- neuerliche, rationale Beschreibung des Schmerzes. Meist sind die Schmerzausmaße dann schon besser geworden, was ermutigt.
- ggf. Wiederholung der vorherigen Schritte – bis zur erträglichen Akutschmerzreduktion
Funktionelle Entspannung bewahrt vor dem Gefühl, dem Körper völlig ausgeliefert zu sein und fördert das Gefühl eigener Körper- und auch Schmerzkontrolle.