Philosophieseminar Univ. Wien, SS 2010, Leitung Prof. Friedrich Wallner

Altchinesische Gesundheitsmuster - heute?

Vorsorgemedizin ohne psychosoziale Gesundheitsmodelle?

 

Vorsorgemedizin sollte nicht nur zur Verhinderung bestimmter Krankheiten dienen sondern auch auf klaren Gesundheitsmodellen aufbauen.

Während in der (eher körperlich orientierten) Schulmedizin Normalbefunde im Zentimeter Gramm Sekundensystem ziemlich klar von krankhaften Befunden unterschieden werden können, ist die Unterscheidung zwischen gesund und krank im psychischen Bereich viel schwieriger – einfach weil ein geeigneter der Maßstab fehlt, welcher auch der Individualität des Menschen und der Besonderheit seiner Lebensumstände einigermaßen gerecht wird. Zudem lassen sich Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen schlecht in Zentimeter, Gramm  oder Sekunden messen.

 

Als Merkmale psychosozial gesunder Menschen werden in unserer Gesellschaft üblicherweise Eigenschaften wie Liebes- und Kontaktfähigkeit, realistisches Selbstbewusstsein, Arbeitsfähigkeit, soziale Kompetenz, persönliche Verantwortung, Fähigkeit zur Lustbefriedigung und Anpassungsfähigkeit angesehen (alle genannten Beispiele sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei werden zwar Ziele, aber nicht Wege zu diesen Zielen beschrieben. Die Unterteilung oben erwähnter komplex formulierter psychosozialer Gesundheitsmerkmale in diverse polar formulierte Teilaspekte ist hingegen durchaus geeignet, günstige Dynamik oder ungünstige Fehldynamik detailliert aufzuzeigen, und auf einzelne Schritte zum erwünschten Ziel (z.B. zu besserer Kontaktfähigkeit, realistischem Selbstbewusstsein, etc.) hinzuführen.   

Polares Denken – gesunde polare Dynamik und Fehldynamik

Wer sich mit Akupunktur und ihrem Hintergrund beschäftigt, stößt früher oder später auf die Altchinesischen Vorstellungen von Yin und Yang (somit auf das Wesen der Polarität) und auf die so genannte Elementelehre (wu – xing = 5 Phasen), welche das geregelte Zusammenspiel des Verschiedenartigen beschreibt. (Vgl. Abb. 1.) Beide Muster können als Gesundheitsmuster verstanden werden, welche sich prinzipiell auf den psychosozialen Bereich übertragen lassen, weil es Verschiedenartigkeit  auch im Bereich unserer Gedanken, Handlungsweisen und Gefühle gibt und innerhalb dieser verschiedenartigen Bereiche polare Funktionsgruppen zusammenwirken. (siehe folgende Abbildungen).

 

Psychosoziale Gesundheit bzw. ein stressarmer, gesunder Lebensstil ist dann gegeben, wenn möglichst viele in Abb.5 polar formulierte Handlungen, Gefühle und Gedanke subjektiv ausgewogen gelebt oder erlebt werden können.

Hingegen bedeuten Balancestörungen (ein Pol dominiert sein Gegenüber), extreme Schwankungen oder Konflikte der polaren Kräfte oder Defizite beider Seiten psychosoziale Invalidität bzw. psychosozialen Stress, welcher die eigene körperliche und seelische Gesundheit gefährdet und ein soziales Zusammenleben gefährdet (vgl. Abb.4 und 6)                                        

 

Über einen geeigneten Fragebogen ist es möglich, Balancestörungen, Extremschwankungen oder Defizite subjektiv zu erfassen, sei es als Hilfe zur Selbsthilfe, sei es zur Information Ihres psychosomatisch aufgeschlossenen Arztes oder als mögliche Vorbereitung für eine Psychotherapie, wenn Selbsthilfe allein nicht weitergeholfen hat.

Die Auseinandersetzung mit eigenen Balancestörungen oder Extremschwankungen trägt zur   Verbesserung der eigenen körperlichen und psychosozialen Lebensqualität wesentlich bei, kann als   Information für eine Balance orientierte Gesprächsführung verwendet werden, oder ermöglicht  dem geschulten Arzt Einblick in psychosomatische Beschwerden, welche außer über Psychotherapie auch mittels Akupunktur oder Homöopathie behandelt werden können.

 

 

Natürliche und unnatürliche Dynamik im Phasenwandlungssystem

Verschiedene Arten unf Kombinationen von Fehldynamik im Phasenwandlungssystem fördern (außer einseitigen Umweltfaktoren und einseitiger persönlicher Lustbesetzung) polare Fehldynamik.

So kann z.B. Phasenwandlung gegen den Uhrzeiger die Thesen einiger Phasen dominierend werden lassen, wodurch gegenüberliegende Thesen unterdrückt werden bzw. im Uhrzeigersinn nachfolgende Thesen verkümmern können.

Noch ungünstiger wirken sich diagonale Abkürzungen (statt normaler diagonaler Begrenzungen) aus, weil so das ursprüngliche Fünfersystem zu einem Vierer oder gar Dreier System verkümmert - mit entsprechenden Zeichen psychosozialer Invalidität.

 

Ausführliche und konkrete Beispiele aus dem täglichen Leben dazu finden sich im Buch Psychosomatische Vorsorgemedizin - ebenso wie therapeutische Gegenstrategien, welche sich daraus ergeben. 

Nicht zuletzt erwachsen aus polarer Fehldynamik in verschiedenen Bereichen auch zuordenbare somatische Risikofaktoren, wie aus der letzten Abb. ersichtlich.

Beispiele für natürliche Begrenzung sowie unnatürliche diagonale Unterdrückung und Missachtung durch dominierende Phasen

 

natürliche diagonale Begrenzung

mit indirekter Förderung der Antithese

in der gegenüberliegenden Phase

bei Phasendominanz: diagonale Unterdrückung

bzw. ihre Steigerung:

diagonale Verachtung gegen den Uhrzeigersinn

Phase A begrenzt Phase C ; A > C

Einfühlungsvermögen begrenzt Kritikfähigkeit

und fördert damit indirekt Großzügigkeit.

Dominierende Phase A >> C;  gesteigert: A >>>D;

Blinde Liebe und Hass können unkritisch machen;

Symbiotische Beziehungen können persönliche Grenzen verachten. Ausufernde Erlebnisse bedrohen Identität (Psychose).

Phase C begrenzt Phase E: C > E;

Verantwortung  begrenzt Aggression, persönliche Entfaltung, Wettbewerb, und fördert indirekt damit Hilfestellung, Zurückhaltung.

dominierende Phase C >> E: gesteigert: C>>> A;

Bürokratie,  persönliche zwanghafte Ordnung oder schwere Schuldgefühle unterdrücken  eigene Leistung;Schwere Vorwürfe verachten Kontakte und Gefühle.

Phase E begrenzt Phase B:

Eigene Leistung begrenzt Vorsicht und fördert damit indirekt eigenes und gegenseitiges Vertrauen.

 

Dominierende Phase E >> B: gesteigert: E>>> C

Aggressionen und rücksichtsloser Wettbewerb

machen häufig unvorsichtig, können  Armut oder Schulden fördern; schwere Aggressivität, Brutalität, Kriege verachten Regeln, Verantwortung, Gesetze

Phase B begrenzt Phase D:

Vorsicht und Besitz sollten persönliche Wünsche begrenzen und eigene Zufriedenheit indirekt fördern.

Dominierende Phase B >> D; gesteigert: B >>>E

Viel Besitz kann interesselos, gleichgültig oder abhängig  machen, Übervorsicht macht ängstlich;

Verwöhnter Reichtum verachtet eigene und fremde Arbeit; Grübeln und Sorgen können hilflos machen.

Phase D begrenzt Phase A:

Persönliche Meinungen, Interessen, Grenzen begrenzen Kontakte, Erlebnisse -  fördern aber auch die Fähigkeit, allein zu sein, sich loslösen zu können

Dominierende Phase D >> A: gesteigert: D >>>B

Eigensinn, Egoismus  macht gefühlsarm,  einsam;

Blinder Egoismus verachtet (meist fremde) Sorgen, 

Zu hohe eigene Ansprüche verachten eigene Reserven (machen arm, fördern über Konsumation Schulden)